Die Reise in den Vorhang

von Astrid Rempel
Mit: Anne Schröder
Musikalisches Konzept: Milan Grajetzki

Foto: W. Weimer

Ein Vorhang hängt im Raum – sonst nichts. Aber Vorhänge sind sehr spezielle Wesen und unsere Schauspielerin weiß das. Deshalb kann sie durch Geräusche und Bewegungen, in die sie die Kinder einbezieht, auch den Vorhang dazu bringen, sich geräuschhaft und musikalisch zu äußern. Das Wunderbarste ist, dass man ihm sogar durch Berührung Klänge entlocken kann. Dass am Ende durch die Aktionen aller ein komplettes Musikstück entsteht, das aus dem Vorhang heraus erklingt, lässt das Stück zu einem sinnlich erfahrbaren Erlebnistheater werden.

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LILA-ROTE MAGIE
Im Horizont-Theater schafft Astrid Rempel mit „Die Reise in den Vorhang“ ein Stück über Farben und das Eigenleben von Dingen, das auf die Fantasie der kleinen Zuschauer setzt und auch ohne großen Theaterdonner ein eindrückliches, absolut altersgerechtes Erlebnis bietet.

„Ich kannte mal einen Vorhang, der hieß Moritz!“. Ein Satz wie dieser wundert vielleicht Erwachsene, die anwesenden Zweijährigen aber wenig. In diesem Alter denkt man magisch und weiß, dass Gegenstände ein Eigenleben haben können. Nah dran an den kleinen Zuschauern beginnt die „Reise in den Vorhang“ im Theaterfoyer, wo Schauspielerin Anne Schröder gemeinsam mit den Kindern ein gutes Versteck sucht. Sie findet es im Theatercafe des Horizont, das sie plötzlich „entdeckt“ und betritt, die zunehmend neugierigen Kinder im Schlepptau.
Das Cafe ist leer geräumt, gemütliche blaue Sitzkissenwürste für die Kinder liegen am Boden. Stühle für die Erwachsenen gibt es am Rand. Ein Vorhang rückt ins Zentrum der Aufmerksamkeit: leuchtend rot und deckenhoch ist er dort aufgespannt, wo sonst Bar und Kasse des Cafes zu finden sind. Und natürlich ist er alles andere als gewöhnlich: er pustet und prustet, schlürft und schnarcht, brabbelt und niest und freut sich, wenn er gestreichelt wird. Eine unsichtbare Installation aus vier im Raum verteilten Sensoren und einer Kamera ermöglicht das Wechselspiel zwischen der Schauspielerin und den über Lautsprecher eingespielten Geräuschen des Vorhangs. Die Geräusche klingen mitunter etwas maschinell. Da ist es gut, dass Anne Schröders körperliche und mimisch starke, dabei aber immer natürliche Art zu spielen, den Vorhang zum Leben erweckt. Dazu benötigt sie weder Schminke noch Kostüm: Mit sehr dicken Backen etwa pustet sie zurück, wenn der Vorhang sie anpustet, niest mit vollem Körpereinsatz oder klammert sich mit aller Mühe an der Wand fest, um nicht aufgeschlürft zu werden. Für Zweijährige wirkt das so echt, dass sie vor Freude kieksen und eifrig mitpusten oder schlürfen helfen, aber auch schon mal Angst kriegen und auf die Arme ihrer Begleiter flüchten. Die Spannung ist greifbar, als der Vorhang endlich geöffnet und der Blick frei wird auf eine in bunten Farben angestrahlte Leinwand. Die Kinder sind der dritte Akteur an diesem Theatervormittag. Schröder versteht es immer wieder, sie durch kleinkindgerechte Sprache einzubeziehen und ihre Äußerungen spontan aufzugreifen: Die Kinder finden, der rote Vorhang sei lila? Dann ist er eben „lila-rot“. Astrid Rempel setzt auf die Imaginationskraft der Zuschauer und verzichtet auf überbordende theatrale Mittel. Gerade deswegen werden sich die Kinder an diesen Vorhang noch lange erinnern, was man an ihrer erstaunlichen Konzentration und ihrer lautstark bekundeten Freude ablesen kann. Christina Gath